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    Psychologie

    Was ist eigentlich… eine generalisierte Angststörung?

    Was, wenn etwas Schlimmes passiert ist? Er hat sich seit einer Stunde nicht gemeldet, vielleicht hatte er einen Autounfall... Was, wenn hinter den Symptomen, die ich seit ein paar Tagen bemerke, eine schwere Erkrankung steckt? ... Man hört überall, dass die Wirtschaftslage aktuell angespannt ist; was passiert, wenn ich meinen Job verliere? Wird meine Partnerin mich dann verlassen?

    Solche oder ähnliche Ängste hatte vielleicht jeder Mensch schon einmal. Das ist für sich genommen nichts Schlechtes, da die Angst in vielen Fällen ein Schutzmechanismus ist, der uns alarmieren will und uns dazu bringen möchte, in einer potenziell gefährlichen Situation zu handeln. Schwierig wird es erst, wenn die Ängste über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt vorkommen und nicht mehr nur auf einen konkreten Anlass bezogen sind.

    Von einer generalisierten Angststörung spricht man, wenn solche Sorgen und Befürchtungen anhaltend und allgemein sind, d.h. wenn sie nicht auf bestimmte Bedingungen beschränkt sind. Betroffene erleben ihre Sorgen und Ängste als einen Dauerzustand, der sich nur schwer unterbrechen lässt und der ihren Alltag überschattet. Meist sind die befürchteten Szenarien sehr viel weniger wahrscheinlich, als Menschen mit einer generalisierten Angststörung annehmen.

    Ebenso können körperliche Symptome auftreten, wie zum Beispiel Schwitzen, Zittern, Herzklopfen, Schwindel, Benommenheit oder Magen-Darm-Beschwerden. Menschen mit einer generalisierten Angststörung sind häufig sehr angespannt und befinden sich in permanenter Alarmbereitschaft. Weitere Anzeichen können Konzentrationsprobleme oder Schlafstörungen sein. Als Folge versuchen Betroffene häufig, Aktivitäten zu vermeiden, die sie als gefährlich einschätzen - was ihr Leben ebenfalls stark einschränken kann.

    Charakteristisch für die generalisierte Angststörung ist zudem, dass die Betroffenen sich Sorgen darüber machen, dass die ständigen Ängste ihnen schaden könnten. Sie entwickeln eine "Angst vor der Angst". Aus diesem Grund versuchen Menschen mit einem solchen Krankheitsbild oft, ihre Ängste zu unterdrücken, was aber paradoxerweise meistens dazu führt, dass diese umso häufiger und stärker auftreten.

    Abgrenzung zu anderen Angststörungen

    Im Gegensatz zu einer generalisierten Angststörung richtet sich die Angst bei einer Phobie auf eindeutig definierte, im Allgemeinen ungefährliche Situationen oder Objekte. Beispiele dafür sind: Angst vor Tieren (Spinnen, Hunden, Schlangen etc.), Naturgewalten (Gewitter, Wasser) oder vor Situationen, in denen eine Gefahr vermutet wird (große Höhe, Fliegen, Zahnarztbesuch etc.). Auch soziale Phobien, das heißt die Angst im Mittelpunkt zu stehen und von anderen beobachtet oder bewertet zu werden, sowie Agoraphobien, also die Angst vor engen Räumen, weiten Plätzen oder Menschenmengen, zählen dazu. Von einer Störung beziehungsweiser einer Phobie spricht man dann, wenn die Ängste oder das Vermeiden des Auslösers das Leben der Person stark beeinträchtigen.

    Bei einer Panikstörung treten wiederholt schwere Angstattacken auf, die sich nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände beschränken und dadurch auch nicht vorhersehbar sind. Eine einmalige Panikattacke erleben relativ viele Menschen in ihrem Leben, eine Panikstörung tritt dagegen sehr viel seltener auf. Typisch dafür sind körperliche Symptome wie Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüche, Atemnot, Engegefühl in der Brust oder Schwindel. Betroffene erleben oft einen Kontrollverlust und befürchten damit einhergehend möglicherweise ohnmächtig zu werden, einen Herzinfarkt zu erleiden oder verrückt zu werden. Meistens steigt die Angst innerhalb weniger Minuten stark an und klingt dann allmählich wieder ab.

    Welche Ursachen für eine generalisierte Angststörung sind bekannt?

    Die Ursache von generalisierten Angststörungen sind noch nicht vollständig bekannt, man geht jedoch davon aus, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen: Ein Aspekt ist der genetische Einfluss, wenn Angststörungen in der Familie gehäuft auftreten. Aber auch dann müssen weitere Faktoren dazukommen. Ein eher ängstlicher Erziehungsstil der Eltern oder auch traumatische Erlebnisse in der Kindheit sowie im späteren Leben können die Entstehung begünstigen (z.B. Verluste in der Kindheit, Trennung der Eltern, andauernde extreme Arbeitsbelastung). Ebenso können andere psychische Erkrankungen, wie Depressionen oder eine Suchterkrankung damit einhergehen. Der Auslöser für eine generalisierte Angststörung ist häufig ein Ereignis in der Gegenwart, das die Betroffenen stark belastet.

    Was hilft bei einer generalisierten Angststörung?

    Eine generalisierte Angststörung ist in der Regel gut behandelbar und unter den therapeutischen Methoden wurde die Verhaltenstherapie am besten erforscht und hat sich als langfristig wirksam erwiesen. Diese Therapieform zielt sowohl auf die Veränderung übernommener Glaubenssätze ("ich schaffe es sowieso nicht", "ich bin hilflos", "ich bin nichts wert") als auch auf eine Änderung des Verhaltens. Die Betroffenen stellen sich schrittweise den Situationen oder Reizen, vor denen sie Angst haben, und lernen dadurch, dass das Befürchtete oft nicht eintritt und wie sie mit den Ängsten besser umgehen können. Auch Entspannungsverfahren und Methoden zur Stressbewältigung können unterstützend eingesetzt werden.

    Ängste können für den Lebensalltag sehr belastend sein. Wenn du befürchtest, du könntest eine Angststörung haben, ist es sinnvoll, mit einem*er Arzt*Ärztin oder einem*er Therapeut*in darüber zu sprechen und abklären zu lassen, was dich am besten unterstützt.

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    Psychologie, Selbstvertrauen

    Emotionale Abhängigkeit – erkennen und lösen

    Machen wir uns nicht alle bis zu einem gewissen Grad emotional abhängig, wenn wir uns auf eine Beziehung einlassen? Muss man nicht in jeder Beziehung dem Partner zuliebe auch Kompromisse eingehen? Solche oder ähnliche Fragen bekomme ich in meiner Praxis häufiger gestellt. Und ja, Kompromisse gehören sicherlich zu einer Beziehung dazu, und niemand ist froh und jubelt, wenn er oder sie plötzlich vom dem*der Partner*in verlassen wird. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen sich einem anderen Menschen emotional zu öffnen und sich von dem*der Partner*in abhängig zu machen.

    Emotionale Abhängigkeit bedeutet, sich unfrei oder nicht in der Lage zu fühlen, ohne den*die Partner*in zu sein oder zu entscheiden. Das eigene Wohl oder Glück scheint abhängig von der anderen Person und ihrer Zustimmung zu sein. Beispielsweise richten wir unser Handeln immer wieder nach dem*der Partner*in aus und ordnen unsere Bedürfnisse unter, weil wir übergroße Angst davor haben, verlassen zu werden. Emotionale Abhängigkeit geht dabei weit über eine allgemeine Trennungs- und Verlustangst hinaus. Sie ist übrigens nicht nur auf Paarbeziehungen beschränkt, sondern kann ebenso in Eltern-Kind-Beziehungen oder Freundschaften vorkommen.

    Woran erkenne ich, dass ich mich emotional abhängig mache?

    Nicht immer ist uns bewusst, dass wir uns emotional abhängig machen, zum Teil weil es vielleicht unseren typischen Mustern entspricht oder wir es gewohnt sind, für Harmonie in einer Beziehung zu sorgen. Woran erkennen wir also, dass wir in einer ungesunden Abhängigkeit feststecken? Folgende Symptome können dafür sprechen:

    - Starkes Bedürfnis nach Bestätigung: Du brauchst häufig eine Rückversicherung, dass der*die andere dich liebt und mit dir zusammen sein will, und wirst unsicher, wenn er*sie es dir nicht bestätigt oder sich nicht sofort auf deine Nachrichten bei dir zurückmeldet.

    - Einseitigkeit: In der Beziehung bist du häufig der Part, der die Initiative übernimmt oder sich kümmert. Der andere zieht sich mehr zurück oder verhält sich passiv. Du bemühst dich mehr um die Beziehung. Der*die andere ist weniger emotional verfügbar.

    - Angst vor dem Alleinsein: Ohne den*die Partner*in weißt du wenig mit dir anzufangen, hast das Gefühl innerer Leere oder der Unvollkommenheit ohne eine*n Partner*in. Dadurch klammerst du dich eher an den*die Partnerin. Zeit für dich allein siehst du als weniger wertvoll an.

    - Vernachlässigung eigener Interessen und Freundschaften: Vor eurer Beziehung hattest du lebendige Freundschaften, aber während du in der Beziehung bist, hast du dich mehr und mehr von deinen Freunden zurückgezogen und beschränkst dich nur noch auf diese eine Person.

    - Ständig versuchen, es dem*der anderen recht zu machen: Die Gefühle und Bedürfnisse der anderen Person haben Priorität in eurer Beziehung. Du versuchst es dem*der anderen recht zu machen und überschreitest dabei deine Grenzen (Motive dafür können sein: damit der*die andere bleibt/happy ist/dich liebt).

    - Schuldgefühle: Wenn die andere Person unglücklich oder gekränkt ist, beziehst du es auf dich und hast Schuldgefühle. Du hast den Drang, etwas zu tun, damit der*die andere sich wieder gut fühlt - statt die Situation aus einer gewissen Distanz zu betrachten und die Person ihre eigenen Gefühle erleben zu lassen.

    - Eifersucht und Verlustangst: Du steigerst dich in deine Eifersucht hinein und versuchst, die andere Person zu kontrollieren, und zum Beispiel ständig wissen zu wollen, was die andere Person macht, oder ihr Handy zu überwachen. Du hast übergroße Angst, du könntest den anderen verlieren.

    Was sind mögliche Ursachen von emotionaler Abhängigkeit?

    Die Frage nach den Ursachen von emotionaler Abhängigkeit ist komplex und lässt sich nicht so leicht beantworten. Sie kann sich in der aktuellen Beziehung oder durch Erfahrungen in früheren Partnerschaften entwickelt haben; häufig entsteht dieses Muster jedoch bereits in der Kindheit. Emotionale Verletzungen können in der Kindheit das Gefühl von innerer Abhängigkeit hervorgerufen oder verstärkt haben, zum Beispiel durch die Trennung der Eltern, einen emotional nicht verfügbaren Elternteil oder durch emotionalen Missbrauch.

    Fast immer ist die emotionale Abhängigkeit an ein geringes Selbstbewusstsein oder einen niedrigen Selbstwert gekoppelt, den man unbewusst durch die Beziehung bzw. den*die Partner*in ausgleichen möchte. Überzeugungen können dabei sein: "Ohne eine*n Partner*in bin ich nichts wert.", "Mein Partner*in trennt sich sowieso von mir, weil er jemand anderen interessanter/besser findet als mich.", "Liebt er*sie mich genug?". Durch die Zuneigung des anderen Menschen möchte man sich selbst versichern, dass man liebenswert/genug/attraktiv/interessant oder... ist, oder versucht unbewusst, einen Mangel an Liebe im eigenen Leben auszugleichen.

    Auch Erfahrungen von Einsamkeit oder Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben können Ursachen für emotionale Abhängigkeit sein. Wir geben dann dem anderen Menschen die Macht darüber, für Glück und Freude in unserem Leben zu sorgen. Eine einzelne Person scheint der Schlüssel für unser Lebensglück zu sein. Erfüllt diese Person unsere Erwartungen nicht oder wendet sich ab, fühlen wir uns (als emotional abhängige Person) womöglich zurückgesetzt und verlieren wir das Vertrauen darin, selbst die Quelle für unsere Zufriedenheit und unser Glück zu sein.

    Wie löse ich mich aus emotionaler Abhängigkeit?

    Sich aus emotionaler Abhängigkeit zu befreien ist sicherlich ein Weg und keine schnelle 180-Grad-Wende. Ein erster Schritt ist, die emotionale Abhängigkeit bei sich selbst zu erkennen und den Wunsch zu haben, etwas daran zu verändern. Weitere kleinere und größere Schritte können dann dazu führen, sich mehr und mehr aus dem Gefühl der inneren Abhängigkeit zu befreien:

    1. Sich selbst reflektieren. Versuche herauszufinden, was hinter deiner emotionalen Abhängigkeit steckt. Ist es das Gefühl, nicht liebenswert zu sein, dir selbst oder anderen etwas beweisen zu müssen, oder das Gefühl, nicht genügend geliebt worden zu sein? Kann dein*e Partner*in dir das geben bzw. erfüllen? Oder ist dieser Anspruch zu hoch? Sei ehrlich mit dir selbst, aber habe auch Mitgefühl mit dir.

    2. Selbstwertgefühl stärken. Ein Schlüssel ist, dein Lebensglück nicht von deinem*er Partner*in abhängig zu machen. Finde heraus, was dein Selbstwertgefühl stärkt, z.B. indem du dich auf deine Stärken und Ressourcen besinnst; dir die Dinge schenkst, nach denen du dich sehnst: Aufmerksamkeit, Fürsorge, Zuneigung und Liebe; und indem du dir bewusst machst, dass du bereits wertvoll bist, so wie du bist, ohne etwas dafür tun zu müssen.

    3. Eigene Bedürfnisse wahrnehmen. Selbstwert und emotionale Freiheit zeigen sich auch darin, dass du deine Bedürfnisse wahrnimmst und für dich priorisierst. Überlege, was dir wichtig ist und was dir guttut. Das können Bedürfnisse innerhalb der Beziehung sein (über ein Thema sprechen, die Aufgaben im Alltag anders aufteilen), insbesondere aber Bedürfnisse, die dich und dein Leben betreffen (mehr Zeit für dich, für mehr Entspannung sorgen, ein Hobby wiederaufnehmen).

    4. Interessen und Beziehungen pflegen. Den Partner in den Mittelpunkt des eigenen Lebens zu stellen, bedeutet auch viel Verantwortung für nur eine Person. Welche Interessen hast du auch unabhängig von deinem Partner? Welche Aktivitäten machen dir Spaß und erfüllen dich? Du lässt deine*n Partner*in nicht im Stich (oder verlierst ihn/sie), wenn du neue Aktivitäten aufnimmst. Pflege auch Freundschaften oder finde neue Freunde, wenn du dich sonst sehr auf deine Partnerschaft konzentriert hast.

    5. Sich selbst Liebe und Fürsorge schenken. Das ist sicher der wesentliche Punkt, wenn du bisher den*die Partner*in als die Person wahrgenommen hast, die dir hauptsächlich Liebe und Zuneigung schenken soll. Lerne, auch Zeit mit dir selbst zu verbringen - dazu musst du möglicherweise aus deiner Komfortzone heraus und die Angst vor dem Alleinsein überwinden. Was wünschst du dir und wie kann es aussehen, es dir selbst zu geben (Aufmerksamkeit, Komplimente, Zeit, spannende Erfahrungen)? Sei liebevoll mit dir und behandle dich wie den wichtigsten Menschen der Welt.

    6. Gedankenmuster hinterfragen. Überprüfe, was du über dich selbst denkst. Sind es liebevolle und wertschätzende Gedanken oder wertest du dich innerlich ab? Glaubst du von dir selbst, dass du ohne Partner*in nicht genügst? Dann ist es an der Zeit, alte Gedankenmuster abzulegen. Vielleicht gelingt es nicht an einem Tag, aber lege den Grundstein dafür, indem du alte Überzeugungen identifizierst und durch positive Selbstgespräche ersetzt und dir selbst sagst, was du an dir schätzt.

    7. Weniger Kompromisse. Wenn du in deiner Partnerschaft bisher viele Kompromisse gemacht hast und dich häufig nach deinem*er Partner*in gerichtet hast, kann es sein, dass du ab jetzt mehr auf deine Bedürfnisse achten solltest und ein besseres Gleichgewicht anstreben solltest. Es geht nicht darum, den Spieß jetzt herumzudrehen, sondern vielmehr, dass du deine Termine und Aufmerksamkeit nicht komplett nach der anderen Person ausrichtest. Was sind deine Wünsche und Bedürfnisse?

    8. Geduldig mit sich selbst sein. Last but not least gilt für alle erwähnten Punkte: Sei geduldig mit dir selbst. Wenn du den*die andere*n häufig wichtiger nimmst als dich selbst, ist das wahrscheinlich schon eine tiefe Gewohnheit. Auch die Angst vor dem Verlust ist vielleicht früh erlernt worden und sitzt tief. Aber auch Gewohnheiten lassen sich ändern und wahrscheinlich gibt es schon Bereiche, in denen du weiter bist und für dich gute Verhaltensweisen entwickelt hast. Du bist deinen Gefühlen (auch dem Gefühl, abhängig zu sein) nicht ausgeliefert - du bist mehr als deine Gefühle.

    Ich wünsche Dir viel Mut und Erfolg dabei, emotionale Verstrickungen zu erkennen und dich daraus zu lösen. Ich bin überzeugt davon, dass Lieben bedeutet, innerlich frei zu sein - und immer wieder zu wachsen und sich zu entfalten.

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    Psychologie, Ressourcen

    Wie wir mit Verzweiflung anders umgehen können

    Angesichts der aktuellen Weltlage, Krisen, Kriegen und Klimaveränderung, passiert es den meisten von uns, dass wir zumindest zeitweise überfordert und verzweifelt reagieren. Es scheint angemessen, bezogen auf die vielen Krisenherde und das daraus resultierende Leid, dass wir überwältigt sind, und Trauer, Ohnmacht und Wut empfinden. Angesichts auch der Menge von Bildern und Nachrichten fühlen wir uns klein, haben mit unseren eigenen Ängsten zu kämpfen und wissen auch damit nicht wirklich umzugehen.

    Möglicherweise reagieren wir darauf, indem wir andere dafür verantwortlich machen: "Wie kann ich als Einzelperson eine Veränderung bewirken?", "Das muss auf politischer Ebene entschieden werden und die Wirtschaft muss sich dafür ändern." Wir werfen anderen vor: "Die Mehrheit kümmert das gar nicht..." Dadurch haben wir das Gefühl, keinen Einfluss zu haben. Oder wir reagieren auf unsere Überforderung, indem wir uns auf unterschiedliche Weise ablenken und durch Konsum betäuben.

    Wenn wir dabei bleiben, dass eben die anderen sich ändern müssen, teilen wir die Welt in zwei Lager: diejenigen, die Macht haben, aber gleichgültig sind und sich weigern einzugreifen, und diejenigen (wir), die die Bedrohlichkeit der Situation sehen, aber sich dadurch hilflos und verzweifelt fühlen. Wir geben dadurch auch viel Macht an scheinbare Entscheidungsträger ab; vor allem aber bleiben wir durch diese Sichtweise in den Gefühlen von Überforderung und Hilflosigkeit stecken.

    Nochmal: Wut, Angst und Ohnmacht können temporär angemessene Gefühle auf Gefahrensituationen und Krisen sein. Sie dienen auch dazu, uns wachzurütteln, die Situation zu verarbeiten oder sind vielleicht alte Überlebensmuster. Längerfristig zeigt sich darin jedoch eher ein Zustand der erlernten Hilflosigkeit. Wir sind überzeugt, dass wir nichts ausrichten/ändern können und verharren in dieser Haltung. Wir bleiben damit aber auch in unserer Komfortzone, weil wir unseren Einfluss unterschätzen.  

    Das Problem ist: Weder Gleichgültigkeit (die wir anderen vorwerfen), noch die Verzweiflung, die wir fühlen, sind hilfreiche Zustände, die etwas bewirken. Vielmehr haben beide eine Gemeinsamkeit darin, dass der Verantwortung ausgewichen wird. Gleichgültigkeit führt dazu, dass Verantwortung abgegeben und geleugnet wird; Verzweiflung entsteht, wenn wir glauben, alles allein bewältigen zu müssen und zu viel Verantwortung auf uns lastet. Wir sind nicht zuständig, die Probleme der Welt im Alleingang zu lösen.*

    Welche Wege führen also aus diesem Zustand hinaus bzw. wie können wir besser damit umgehen, wenn wir verzweifelt sind?

    1. Uns auf die Dinge fokussieren, die wir kontrollieren können. Wenn wir uns ausreichend Zeit gegeben und erlaubt haben, unsere Gefühle angesichts der aktuellen Weltlage zu fühlen, sollten wir versuchen, innerlich etwas Abstand dazu zu nehmen und uns zu fragen, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten möchten. Statt uns auf die überwältigenden Nachrichten zu konzentrieren oder aber sie komplett zu ignorieren (zwei Kehrseiten derselben Medaille), könnten wir herausfinden, an welchen Stellen wir Einfluss nehmen können. Zum Beispiel: Wie könnten wir uns politisch engagieren? Mit wem könnten wir dazu in Kontakt treten? Gibt es in unserer Nähe Veranstaltungen oder Gruppen von Gleichgesinnten?

    2. Bei unseren Stärken, in unserem Einflussbereich beginnen. Es hilft auch, nicht (nur) zu weit über unseren Radius hinaus zu denken, sondern in unserem Alltag, bei unserem Beruf, oder bei den Dingen, die wir gut können, anzufangen. Gibt es eine Fähigkeit, die wir einsetzen oder zur Verfügung stellen können? Können wir gut kommunizieren und für gute Ideen einstehen und mit anderen darüber diskutieren? Können wir lokale Hilfsangebote unterstützen? Wie können wir dafür sorgen, dass das Thema, das uns am meisten interessiert, ein kleines Stückchen weitergetragen wird (in unserer Stadt, in unserem Unternehmen, in der Nachbarschaft etc.)?

    3. Kleine Schritte machen. Wenn der Schritt zu groß zu sein scheint ("Was, ich soll mich nach Feierabend noch ehrenamtlich oder politisch engagieren?"), mach den Schritt kleiner. Zum Beispiel beginne zunächst damit, dich über die verschiedenen Möglichkeiten zu informieren. Vielleicht fällt dir dabei ja ein Projekt auf, bei dem es sogar Spaß machen würde, teilzunehmen. Oder du überlegst, wen du kennst, der*die immer gute Ideen hat und dich begeistern kann... Oft bleiben wir stecken, weil wir uns zu viel vorgenommen haben. Kleine Schritte zählen - und wenn wir ins Handeln kommen, stärkt dies fast augenblicklich unser Selbstvertrauen.

    4. Unsere Gefühle mit anderen teilen. Um nicht bei der Hilflosigkeit und Verzweiflung zu bleiben, hilft es sehr, wenn wir unsere Gefühle mit anderen, denen wir vertrauen, teilen. Es kann ein Telefonat mit einem*er Freund*in sein, die unsere Ansichten teilt, oder wir sprechen unsere Befürchtungen in einer Freundes- oder Projektgruppe aus, die ein ähnliches Ziel hat. Es kann erleichternd sein, die Befürchtungen auszusprechen und wir machen die Erfahrung, dass andere die gleichen Probleme kennen. Es stärkt unser Gefühl, dass wir nicht allein damit sind.

    5. Uns eine andere Geschichte über uns selbst erzählen. Wir können uns fragen, was uns daran hindert, uns für etwas einzusetzen. Welche Geschichte erzählen wir uns in solchen Momenten unbewusst über uns selbst? "Das schaffe ich nie.", "Ich bin zu klein (zu schwach, zu hilflos).", "Ich bin nicht klug genug."... Solche Glaubenssätze stammen oft aus der Vergangenheit und haben in der Gegenwart keine Berechtigung mehr. Überlege, welche neue Geschichte du dir über dich erzählen willst, die besser zu dir passt und dich gut unterstützt, beispielsweise: "Ich schaffe das.", "Ich bin stark", "Ich vertraue auf meine Fähigkeiten."

    Ich wünsche dir viel Mut und Selbstvertrauen, um die Dinge anzugehen, die Du verändern möchtest.

    *Inspiriert wurde dieser Beitrag durch den TED-Talk von Clover Hogan (2021), die sich speziell auf unseren Umgang mit der Klimakrise bezogen hat.

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    Methoden, Psychologie

    Zum Umgang mit Ängsten: Katastrophendenken unterbrechen

    Die negativen Gedanken im Kopf überschlagen sich: "Das Ende wird sicher schrecklich.", "Wenn das geschieht, werde ich sehr lange leiden.", "Wenn ich beim Jobinterview versage, bekomme ich nie wieder eine gute Stelle.", "Das bedeutet sicher, dass wir uns trennen werden."... Es gibt Situationen, in denen wir vom Schlechtesten ausgehen, die Katastrophe in Gedanken schon vorwegnehmen. In solchen Momenten fühlen wir uns, als seinen unsere Ängste bereits Realität, und erleben oft auch ein Gefühl der Hilflosigkeit.

    Manche Menschen neigen mehr, andere weniger zum Katastrophendenken. Unter bestimmten Voraussetzungen kann es sich zudem verstärken: beispielsweise bei Menschen die zu Ängsten neigen, eine Angststörung oder Depression haben, bei Stress, in belastenden Lebenssituationen, bei größeren Veränderungen. Die katastrophisierenden Gedanken sind der Situation nicht mehr angemessen, sie verzerren die Wahrnehmung und steigern sich zu irrationalen Ängsten.

    Auch wenn uns bewusst ist, dass die Befürchtungen unrealistisch sind, können wir dadurch die Gedankenkette nicht immer beenden. Hilfreich kann sein, sich auch die schützende Funktion unserer Ängste ins Gedächtnis zu rufen. Die Absicht dahinter ist, dass wir uns vorbereiten und gegebenenfalls unser Verhalten ändern. Das Katastrophisieren kann aber ebenso den Ausgang der Situation negativ beeinflussen oder sogar dazu führen, dass wir bestimmte Erfahrungen vermeiden.

    Wie stoppe ich die irrationalen Ängste?

    Wie also können Katastrophengedanken unterbrochen werden? Eine gute Methode dazu, die auch selbstständig angewendet werden kann, stammt aus der Rational Emotiven Verhaltenstherapie nach Albert Ellis. Sie geht davon aus, dass negative Überzeugungen zu den immer gleichen Ergebnissen führen und dass sich diese Überzeugungen jedoch auch ändern lassen. Dies geschieht durch die nachfolgenden vier Schritte:

    1. Den Gedanken benennen: Im ersten Schritt gilt es, das Katastrophisieren zunächst zu erkennen und sich den vorherrschenden Gedanken/die Grundangst bewusst zu machen. Welches Ereignis löst den momentanen Gefühlszustand aus? Was genau fühle bzw. befürchte ich? Formuliere den Gedanken so konkret wie möglich, zum Beispiel: "Alle werden mich auslachen." oder "Ich werde die Kontrolle verlieren." oder "Ich werde niemals eine*n (neue*n) Partner*in finden."

    2. Den Gedanken zu Ende führen: Die meisten Ängste beherrschen uns dadurch, dass wir sie nicht weiterdenken bzw. nicht zu Ende führen. Deshalb sollten wir uns gezielt erlauben, die Befürchtungen bis zum Ende zu denken. Dazu helfen die folgenden Fragen: Was ist das Schlimmste, das passieren kann? Was würde dann als nächstes passieren? Wie befürchtest du, dass sich die Situation dann weiterentwickelt? ... Also zum Beispiel: Was würde passieren, wenn du beim Vorstellungsgespräch versagst? (Mögliche Antwort: "Ich lande unter der Brücke.") Was wäre dann? ("Ich wäre allein und würde sterben.") Allein durch dieses Weiterdenken kann schon die Absurdität des Gedankens klarer werden.

    3. Die Überzeugung überprüfen und hinterfragen: Sind die Befürchtungen bis zum Ende gedacht, können auf unterschiedliche Weise hinterfragt werden. Eine eher rationale Überprüfung ist: Wie wahrscheinlich ist es, dass das befürchtete Szenario eintritt? Ist auch ein anderer Ausgang der Situation möglich oder sogar wahrscheinlicher? Hast du so etwas schon einmal erlebt? Hast du auch schon einmal einen guten Ausgang einer solchen Situation erlebt? Wie kann das aussehen? Ein pragmatisches Hinterfragen kann lauten: Hilft mir dieser Gedanke, mit der Situation aktuell umzugehen? Was kann ich realistisch tun, wenn etwas Vergleichbares eintritt?

    4. Eine hilfreiche Überzeugung finden: Das Katastrophisieren wirkt in den meisten Fällen wenig förderlich und unterstützend. Gibt es einen Gedanken, der hilfreicher und realistischer ist und den positiven Ausgang der Situation besser unterstützt? Was würde dir in dieser Situation gut tun zu hören? Wenn es möglich ist und du es dir erlaubst: Wie kann ein positiver Ausgang der Situation aussehen? Es geht nicht darum, Ängste mit positiven Gedanken zu "übertünchen". Vielmehr geht es darum, auch neue Vorstellungen darüber zuzulassen, wie es im besten Fall laufen kann, und dadurch neue Handlungsmöglichkeiten zu entdecken.

    Du hast den Einfluss, das Katastrophendenken Schritt für Schritt zu hinterfragen und kleiner werden zu lassen. Da die negativen Gedanken für uns meist vertrauter sind als die Best-Case-Szenarien, gelingt das am besten, wenn wir es so oft wie möglich wiederholen (das haben wir mit den Katastrophengedanken unbewusst auch getan...). Ich wünsche dir viel Erfolg beim Ausprobieren der Methode und einem neuen Umgang mit deinen Ängsten!

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    Methoden, Psychologie, Ressourcen

    Die Ausnahmen-Methode

    Manche Situationen fühlen sich für uns so festgefahren an, dass es uns schwerfällt, eine andere Perspektive einzunehmen oder einen Ausweg zu sehen. Egal wie wir uns dem Problem annähern, scheint das Ergebnis immer nur negativ zu sein. Zum Beispiel: "Ich streite immer mit meiner Mutter." oder "Ständig fühle ich mich gestresst und erschöpft." oder auch "Ich schaffe es einfach nie rechtzeitig zum Sport." An den Beispielen fällt auf, dass wir durch unsere Sichtweise das Problem generalisieren ("immer", "ständig" etc.) und es persönlich nehmen ("ich...").

    Wenn die negativen Sichtweisen überwiegen, entsteht oft eine Negativ-Spirale, aus der es schwerfallen kann auszusteigen. Hier hilft die Ausnahmen-Methode, um die Perspektive zu erweitern und unsere Ressourcen bewusst zu machen. Sie ist eine der Gesprächstechniken, die auf den US-amerikanischen Psychotherapeuten Steve de Shazer zurückgehen. Sie lenkt den Blick auf kleinste Verbesserungen in der Vergangenheit und stärkt so unseren Möglichkeitssinn. Dadurch fällt leichter, festgefahrene Verhaltensweisen zu überprüfen und zu ändern.

    Wie funktioniert die Methode (Vorgehensweise)?

    1. Das Problem vergegenwärtigen: Es lohnt sich, zunächst einmal das Problem, das verändert werden soll, in einen konkreten Satz zu fassen. Also beispielsweise:

    - "Ich schaffe es einfach nicht, mich gesund zu ernähren."

    - "Ich komme immer zu spät."

    - "Ich bin einfach so ängstlich."

    - "Ich schaffe es einfach nicht, meine Arbeit rechtzeitig abzuschließen."

    2. Den Satz ergänzen: Den Satz sprachlich zu ergänzen ist eine zusätzliche Methode, um die bisherige Sichtweise zu hinterfragen. Dazu werden die Worte "bisher" und "oft/häufig" in den Satz eingefügt. Die Sätze können dann zum Beispiel so lauten:

    - "Bisher habe ich es oft nicht geschafft, mich gesund zu ernähren."

    - "In der Vergangenheit bin ich häufig zu spät gekommen."

    - "In der Vergangenheit war ich oft ängstlich."

    - "Bisher habe ich es oft nicht geschafft, meine Arbeit rechtzeitig abzuschließen."

    Wie hören sich diese Sätze jetzt im Unterschied zu den ersten generalisierten Sätzen an? Erscheint dadurch das Problem etwas überschaubarer und leichter?

    Der Vorteil dieser sprachlichen Ergänzung ist, dass sie die Absolutheit der eigenen Annahme auflöst. Das Problem wird sprachlich so gefasst, dass es seiner tatsächlichen Größe entspricht. Die sprachliche Neufassung genügt oft schon, um dem Problem die Last zu nehmen, etwas Raum zu schaffen für den Gedanken, dass es nicht immer so war und nicht immer so bleiben muss. Das kann schon eine Erleichterung bewirken.

    3. Die Suche nach Ausnahmen: Dies ist die eigentliche Methode. Wann ist das Problem in der Vergangenheit einmal nicht aufgetreten? Gab es Situationen, in denen du dich anders verhalten hast, zum Beispiel indem du pünktlich warst, dir selbst ein gutes Essen zubereitet hast, mutig warst etc.? Was genau war in dieser Situation anders? Es geht darum, sich wieder an die vergangene Situation zu erinnern und sie zu erforschen.

    Hilfreiche Fragen können dabei sein: Was hast du anders gemacht? Was haben andere Personen anders gemacht? Wie hast du geschafft, dass in diesen Situationen das Problem nicht aufgetreten ist? Was brauchtest du dafür? Dadurch wird die Aufmerksamkeit weg von den negativen Selbstannahmen und hin zu den Ressourcen gelenkt, die du bereits besitzt. Und du kannst überlegen, was davon ab jetzt in anderen Situationen wiederholen möchtest.

    Wie alle Methoden hat auch die Ausnahme-Technik Grenzen. Es gibt Probleme, die mindestens zeitweise unveränderbar sind. Das soll durch die Methode nicht einfach verdrängt werden. In diesem Fall geht es mehr darum herauszufinden, wie du mit dem Problem möglichst gut leben kannst.

    Ich wünsche dir viel Spaß beim Erforschen und Wiederentdecken gelungener Ausnahmen!

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    Methoden, Psychologie

    Mit dem Wertequadrat zu mehr Balance

    Das Wertequadrat ist ein Modell, durch das sich mehr innere Balance herstellen lässt - sei es individuell, für uns selbst, oder in unseren sozialen Beziehungen. Es hilft, unsere persönlichen Werte zu reflektieren und zu erweitern, wenn wir sie zu einseitig leben. In Konflikten können wir mehr Verständnis für die Position des anderen entwickeln und finden leichter gemeinsam neue Handlungsschritte.

    Das Wertequadrat basiert auf der Grundannahme, dass jeder unserer Werte oder Eigenschaften einen komplementären, das bedeutet gegensätzlichen Wert braucht, um ausbalanciert zu sein. In uns sind immer schon beide Werte bzw. Eigenschaften vorhanden, in der Regel tendieren wir jedoch zu einer Seite mehr. Zum Beispiel sind wir vielleicht mehr empathisch als selbstfürsorglich oder Kreativität/Freiheit ist für uns ein wichtigerer Wert als Struktur/Ordnung.

    Problematisch kann es werden, wenn wir zu sehr zu einer Seite tendieren oder uns in einen Wert hineinsteigern. Wenn wir beispielsweise immer wieder empathisch auf die Bedürfnisse anderer Personen reagieren und uns selbst darüber vergessen oder gar nicht mehr wahrnehmen, was wir eigentlich brauchen - vielleicht auch, weil wir gelernt haben, eine Eigenschaft wie "egoistisch sein" abzulehnen.

    Das Wertequadrat möchte das Spannungsfeld zwischen diesen gegensätzlichen Seiten ausgleichen und zwischen den Polen vermitteln, statt eine Seite zu grundsätzlich abzulehnen.

    Wie verwende ich das Wertequadrat?

    Wenn wir eine Seite oder ein Verhalten von uns nicht mögen oder sie uns immer wieder im Weg stehen, können wir uns die Frage stellen, welchen Wert oder welche Eigenschaft wir damit verbinden.

    Die darauffolgenden Schritte des Wertequadrats möchte ich an dem Beispiel "Perfektionismus" veranschaulichen. Bildlich können wir uns das Modell als ein Quadrat aus vier Feldern vorstellen, von denen jeweils zwei ein Paar bilden und nebeneinander angeordnet sind.

    Diejenige negative Eigenschaft, die wir an uns nicht mögen und bei der es uns schwerfällt, sie zu verändern ("Perfektionismus"), würde im Wertequadrat im Feld unten links stehen. (1)

    Im nächsten Schritt können wir uns fragen, was der positive Kern dieser Eigenschaft ist, und kommen dabei vielleicht auf die Eigenschaft (den Wert) "Genauigkeit" oder "Leistungsbereitschaft", der uns sehr wichtig sind. Diese Eigenschaft wird im Wertequadrat links oben eingetragen. (2) Es lässt bereits erkennen, dass die negative Eigenschaft für uns einen durchaus guten und erstrebenswerten Anteil hat.

    Anschließend können wir uns fragen, was der positive Gegenwert zu "Leistungsbereitschaft" ist. Das könnte beispielsweise die Eigenschaft "Lockerheit" sein, gemeint als "die Dinge locker angehen", eine entspannte Haltung annehmen. Dieser Wert wird im Feld rechts oben des Wertequadrats eingetragen. (3) Dieses Feld verdeutlicht die Eigenschaft, die uns am wahrscheinlichsten fehlt, wenn wir sehr in einer perfektionistischen Haltung gefangen sind. Nach dem Modell ist dies auch die Qualität, die wir mehr kultivieren sollten, wenn wir nach Veränderung streben.

    Darunter, im rechten unteren Feld kann noch eingetragen werden, was das Extrem dieser Eigenschaft sein kann, zum Beispiel "Gleichgültigkeit" als Extrem zu "Lockerheit". (4)

    Das Wertequadrat veranschaulicht so zum einen, welche Werte-Paare es gibt (Leistungsbereitschaft - Lockerheit) und weist darauf hin, welcher gegensätzliche Wert gestärkt werden muss, damit ein Gleichgewicht entsteht. Den meisten Menschen fällt es übrigens leichter, sich zu einem neuen positiven Wert hinzuentwickeln, als den negativen Wert/die negative Eigenschaft zu ändern bzw. zu verringern! Zum anderen stellt das Modell die Extreme dar (Perfektionismus - Gleichgültigkeit), die dann entstehen, wenn wir die positiven Werte jeweils besonders stark ausleben.

    Um bei dem Beispiel zu bleiben: Wenn ich unter meinem Perfektionismus leide, ist es hilfreich, mich zu fragen, wie ich etwas mehr Lockerheit in mein Leben bringen kann - statt die perfektionistische Seite um jeden Preis abschaffen zu wollen.

    Wie hilft das Wertequadrat bei Konflikten in Beziehungen?

    In Konflikten mit anderen Menschen kann das Wertequadrat ebenfalls sehr nützlich sein. Wir können uns zum Beispiel fragen:

    - Welche Position vertrete ich gerade? Gehe ich davon aus, dass der Wert, den ich vertrete, der einzig "wahre" und positive ist?

    - Könnte die Position des*der anderen Person nicht auch eine gute Ergänzung zu meiner Position sein? Eventuell macht sie mich ja auch darauf aufmerksam, welche Eigenschaft bei mir zu gering ausgeprägt ist oder welche ich ablehne.

    - Werfe ich meinem*er Partner*in, Freund*in etc. eventuell gerade die Extremeigenschaft vor? Das passiert sehr häufig in Konflikten...

    - Gibt es einen guten Kern bei der Eigenschaft des*der anderen Person?

    Diese Fragen können das Verständnis für die Position des*der anderen vertiefen. Die Absicht dahinter ist, in Streitgesprächen weniger zu polarisieren und abzuwerten, sondern im besten Fall den Standpunkt des anderen wertzuschätzen. Dann kann gemeinsam nach einem Weg gesucht werden, um beide Positionen mehr ins Gleichgewicht zu bringen.

    Von wem stammt das Wertequadrat?

    Zuletzt noch ein Hinweis darauf, woher das Wertequadrat stammt. Der Grundgedanke geht auf die Ethik des Aristoteles zurück, der die Tugend als die Balance zwischen zwei Extremen definiert hat. Entwickelt hat das Modell der Philosoph Nicolai Hartmann; und heute ist es insbesondere bekannt durch den Kommunikationswissenschaftler und Psychologen Friedemann Schulz von Thun, nach dem es als Werkzeug für die persönliche Weiterentwicklung und Kommunikationsanalyse verwendet wird.

    Ich hoffe, du hast durch den Beitrag einen ersten Eindruck vom Wertequadrat erhalten und wünsche dir viel Freude dabei, deine Werte zu erkennen und ins Gleichgewicht zu bringen!

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    Methoden, Psychologie

    Sokratischer Dialog

    Du darfst nicht alles glauben, was du denkst - diese Haltung könnte auch hinter der Methode des "sokratischen Dialogs" stehen, wie sie in Therapie und Coaching verwendet wird. Unsere Gedanken und Überzeugungen prägen unsere Wahrnehmung der Welt und fühlen sich für uns realistisch an - dabei sind es oft nur subjektive Sichtweisen und Urteile, die keineswegs "wahr" sind. "Ein Leben ohne Konflikte ist ein glückliches Leben. ", "Diese Prüfung bestehe ich sicher nicht.", "Jede Frau wünscht sich, eine Familie zu gründen". "Männer haben die Aufgabe, die Wünsche ihrer Partnerinnen zu erfüllen." ...

    Einerseits helfen uns Überzeugungen, damit wir nicht jede Situation neu bewerten und uns für ein neues Verhalten entscheiden müssen. Gleichzeitig können uns gewohnte Sichtweisen daran hindern, neue positive Erfahrungen zu machen. Der Sokratische Dialog hilft uns, festgefahrene Überzeugungen und Glaubenssätze auf die Probe zu stellen und zu hinterfragen.

    Der griechische Philosoph Sokrates (469-399 v. Chr.) nahm in Gesprächen häufig eine Position des Nichtwissens ein, d.h. er bewertete nicht und wollte seine Gesprächspartner auch nicht von seinen Ansichten überzeugen. Stattdessen wollte er andere darin unterstützen, ihre Gedanken zu überprüfen und einen eigenen Erkenntnisprozess in Gang zu setzen. Seine Gesprächsführung wurde vor allem durch Fragen charakterisiert ("Ist es nicht so, dass..." oder "Meinst du nicht, dass..."), die eine neue, ungewohnte Position aufzeigten. Damit regte er sein Gegenüber an, eine neue Haltung/Position auszuprobieren oder anzunehmen.

    Bei der heutigen Verwendung der Methode werden meist zwei gegensätzliche Thesen diskutiert. Dies kann im Gespräch, während einer therapeutischen Sitzung oder im Coaching geschehen, oder du nimmst dir zuhause die Zeit, zwei Kurzvorträge zu verfassen, in denen du zunächst Argumente für die eine und dann für die andere Seite findest - ohne innerlich zu bewerten, sondern mit dem Ziel, beide Male zu überzeugen.

    Wie wird der sokratische Dialog verwendet?

    1. Wähle einen Glaubenssatz aus, der dich einschränkt oder andere negative Konsequenzen für dich hat,

    z.B. "Ich kann mich für die neue Stelle erst bewerben, wenn ich alle erforderlichen Qualifikationen besitze." oder

    "Eine gute Tochter (Freundin/Partnerin/Mutter etc.) ist für die Bedürfnisse ihrer Eltern (Freunde/des Partners/ihrer Kinder) verantwortlich."

    2. Formuliere anschließend einen gegensätzlichen Glaubenssatz,

    z.B. "Ich kann mich für die neue Stelle auch bewerben, wenn ich (noch) nicht alle erforderlichen Qualifikationen habe." oder

    "Eine gute Tochter (Freundin/Partnerin/Mutter etc.) kümmert sich um ihre eigenen Bedürfnisse und kann sich gut abgrenzen."

    3. Verfasse für beide Standpunkte einen jeweils etwa gleichlangen Kurzvortrag (ca. 1-1,5 Din A4 Seiten bzw. 3-5 Min Redezeit).

    Die Zuhörer*innen sollen nicht erkennen können, welchen Standpunkt du selbst vertrittst, sondern du setzt dich gleichermaßen intensiv mit beiden Positionen auseinander. Bereits das Schreiben und die Beschäftigung mit den gegensätzlichen Positionen kann unsere Sicht der Dinge erweitern und starre Überzeugungen lockern - und darf auch Spaß machen! Auch wenn es zunächst paradox erscheint, gibt es immer auch Argumente für die Gegenseite, die wir nur oft übersehen, weil wir Beweise für unsere bekannte Weltsicht sammeln.

    Ein Gewinn aus dem sokratischen Dialog kann sein zu erkennen, dass es bei den Überzeugungen kein "richtig" oder "falsch" gibt, sondern wir uns irgendwann unbewusst für eine Position entschieden haben. Beide Standpunkte sind im Grunde gleichwertig und blockierende Glaubenssätze entsprechen oft mehr unseren (meist irrationalen) Ängsten und Befürchtungen. Indem wir Argumente und Beweise für die andere Seite sammeln, ergibt sich ein vollständigeres Bild.

    Wir erhalten die Möglichkeit, unsere Wahrnehmung zu erweitern - und uns für einen anderen Standpunkt zu entscheiden, der uns besser unterstützt. In jedem Fall sind wir uns bewusster geworden über unsere Glaubenssätze und wurden vielleicht überrascht und ermutigt, unsere Denkmuster zu verändern.

    Viel Freude beim Ausprobieren der sokratischen Haltung!

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    Gelassenheit, Psychologie

    Schuldgefühle vs. Verantwortung

    Wenn wir jemanden enttäuscht haben, eine Verabredung vergessen, im Streit verletzende Dinge gesagt haben oder eine Beziehung in die Brüche gegangen ist, empfinden die meisten von uns anschließend Schuldgefühle. Manchmal ist das schlechte Gewissen fast schon ein vertrautes Gefühl, das in bestimmten Kontexten und bei bestimmten Menschen auftaucht. Dann können die Schuldgefühle und Selbstvorwürfe zu einer fast schon automatisch auftretenden inneren Stimme werden, die uns niederdrückt.

    Schuldgefühle sind subjektiv, d.h. wie häufig und wie intensiv sie auftreten, ist individuell verschieden. Zwei Menschen in der völlig gleichen Situation können sehr unterschiedlich reagieren und Schuldgefühle entwickeln oder nicht. Wenn sie jedoch wiederholt auftreten, können sie die Gesundheit beeinflussen: Sie können Gereiztheit, Kopfschmerzen oder Magendruck auslösen, oder sogar Ängste und Depression mitverursachen.

    Wie entstehen Schuldgefühle?

    Schuldgefühle entstehen meistens durch hohe innere Ansprüche an sich selbst. Beispielsweise weil man ein guter Sohn/eine gute Tochter (ideale Ehepartner*in, Freund*in, Mutter, Vater etc.) sein möchte. Immer wenn wir den von uns selbst erhobenen Ansprüchen nicht genügen, kann das schlechte Gewissen einsetzen.

    Eine Frage, die wir uns in solchen Momenten auch stellen können, ist: Welches innere Gebot habe ich gebrochen? Denn häufig haben wir früher einmal innere Regeln aufgestellt, an die wir uns immer unbewusst noch halten, wie beispielsweise: "ich darf mich nicht in den Vordergrund stellen", "ich darf nicht faul sein", oder "die Gefühle der anderen Person sind wichtiger als meine". Wenn wir diese inneren Regeln brechen, setzen Schuldgefühle automatisch wie ein Alarmsignal ein. Sie können ein Hinweis auf erlernte Gesetze sein, die wir heute jedoch hinterfragen können.

    Was ist der Zweck von Schuldgefühlen?

    Früher haben uns solche inneren Regeln vielleicht einmal gut geholfen, eine Situation zu überstehen. Schuldgefühle treten in Beziehungen auf und haben oft eine soziale Funktion: Sie zeigen an, dass wir gegen eine soziale Regel verstoßen haben (diese kann objektiv sein oder auch nicht) und dass wir etwas verändern oder wiedergutmachen müssen, mit dem Ziel, die Beziehung zu stärken.

    Daneben schützen uns Schuldgefühle häufig noch vor einem anderen Gefühl, das für die meisten Menschen schwer zu ertragen ist: dem Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit. Für viele ist es tatsächlich leichter, sich schuldig zu fühlen - da es impliziert, dass wir noch Einfluss haben, etwa tun könnten oder zumindest hätten tun können ("es ist meine Schuld, dass ich etwas getan oder unterlassen habe"). Hilflosigkeit dagegen ist verbunden mit dem Gefühl, handlungsunfähig zu sein und nichts mehr tun zu können - eines der schwierigsten menschlichen Gefühle.

    Wie lassen sich Schuldgefühle überwinden?

    Paradoxerweise lassen uns Schuldgefühle jedoch ebenso in einer Position der Hilflosigkeit verharren: Wir nehmen die Hauptlast der Schuld auf uns, werten uns dafür ab und bleiben gefangen in der Sichtweise, nichts tun zu können, um die Situation zu verändern. Die Schuldgefühle weisen uns nicht den Weg hinaus aus dem Konflikt. Wir können jedoch wieder in eine verantwortungsvolle, reife Position wechseln und uns überlegen, welche Schritte notwendig sind.

    1. Das schlechte Gewissen hinterfragen: Der erste Schritt sollte sein, die Situation genauer wahrzunehmen und sich zu fragen, was man glaubt, "falsch" gemacht zu haben. Was hätte ich objektiv besser/anders machen können? Welchen meiner Werte bin ich nicht gerecht geworden? Gegen welche inneren Gesetze habe ich verstoßen? Bei diesem Schritt ist es gut, ehrlich zu sich selbst zu sein, aber auch so objektiv wie möglich zu fragen, was man wirklich unter den gegebenen Umständen hätte tun können.

    2. Die Verantwortung akzeptieren: Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir anders hätten handeln können und dass unser Verhalten falsch war, können wir das im nächsten Schritt vor uns selbst akzeptieren. Verantwortung für das eigene Fehlverhalten zu übernehmen, bringt uns selbst einen Riesenschritt heraus aus der Negativspirale der Schuldgefühle und dem Gefühl der Hilflosigkeit - zurück in einen Zustand der Kontrolle. Wir können sowohl etwas tun, um die Situation zu verbessern, z.B. auf die andere Person zugehen, und werden auch wieder frei voranzuschreiten und nehmen Einfluss auf unsere eigenen Gefühle.

    3. Bei objektiver Schuld - gibt es etwas wiedergutzumachen? Wenn wir jemanden verletzt oder einen Schaden verursacht haben, sollten wir überlegen, wie wir Wiedergutmachung leisten können. Was braucht es in der Situation (was braucht die andere Person), um das Geschehene zu lindern oder zu reparieren? Ist eine Entschuldigung angebracht oder können wir konkret etwas leisten, um den Schaden auszugleichen? Auch: Was wollen wir verändern, damit die Situation sich in Zukunft nicht wiederholt?

    4. Wie viel Verantwortung trage ich? - der Schuldkuchen Eine gute Übung ist, die verschiedenen Faktoren, die zu der Situation beigetragen haben, in ein Torten-Diagramm zu übersetzen. Auf ein Blatt Papier wird ein Kreis gemalt, in den verschieden große Teile ("Kuchenstücke") eingetragen werden. Diese spiegeln die verschiedenen Umstände, Voraussetzungen, beteiligte Personen etc., die vermutlich mit zu der Situation geführt haben. Auch der eigene Anteil wird eingetragen. Durch die Visualisierung wird klarer, dass immer mehrere Faktoren beteiligt sind und wie groß der eigene Einfluss gewesen ist.

    5. Grenzen setzen. Wenn wir bemerken, dass die innere Stimme, die uns Schuld zuweist, sehr dominant ist und auf früheren Erfahrungen beruht, kann es auch angebracht sein, nur den Teil anzunehmen, für den man wirklich verantwortlich ist, und ganz bewusst den Anteil, den man nicht beeinflussen konnte, loszulassen. Es kann bedeuten, innerlich die Kontrolle über diesen Teil abzugeben. Das kann sehr erleichternd sein. Sind die alten Gebote immer noch angemessen? Oder wäre es besser, aus einer reifen Position heraus neue Grenzen zu setzen?

    6. Mitgefühl - sich selbst und anderen verzeihen. Vielleicht der stärkste Punkt von allen im Umgang mit Schuldgefühlen ist, mich sich und anderen mitfühlend zu sein. Sich selbst auch als Menschen zu sehen, der Fehler und Schwächen hat und der wahrscheinlich nicht die Absicht hatte, jemandem zu schaden. Wie würden wir über unsere*n beste*n Freund*in denken, wenn er/sie in der gleichen Situation wäre? Würden wir ihm/ihr gegenüber verständnisvoll und mitfühlend sein? Und wenn wir selbst verletzt wurden: Können wir das gleiche Mitgefühl auch der anderen Person schenken?

    Diese Aspekte sind als Anregungen zu verstehen, wie wir das schlechte Gewissen überwinden und zu mehr (Selbst-)Verantwortung finden können. Ich wünsche dir einen wertfreien Blick auf dich und andere und viel innere Gelassenheit.

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    Kommunikation, Psychologie

    Wie wir in Beziehungen kommunizieren

    Damit wir uns in unseren Beziehungen verbunden fühlen, ist Kommunikation unerlässlich. Es stärkt und vertieft eine Beziehung, wenn wir in der Lage sind, uns konstruktiv auszutauschen, unsere Bedürfnisse mitzuteilen oder auch Konflikte offen anzusprechen. Und dennoch drehen wir uns in Gesprächen mit unseren Partner*innen häufig im Kreis, fühlen uns unverstanden oder reagieren sehr emotional. Wie finden wir in solchen Momenten wieder eine gute Gesprächsbasis und bleiben in Kontakt mit uns selbst und mit unserem Gegenüber?

    Wer spricht gerade?

    Wenn wir uns in einem Gespräch übermäßig angegriffen fühlen oder wir bemerken, dass wir sehr stark auf Äußerungen reagieren, kann es gut sein, dass wir emotional getriggert wurden. Obwohl sich an der Situation äußerlich nichts geändert hat, hat es innerlich einen wunden Punkt getroffen, bei dem wir oft nicht einmal genau sagen können, was es denn eigentlich war. Dann wiederholen sich innerlich bekannte Beziehungsmuster, die gar nichts mit der aktuellen Situation zu tun haben, und ein "altes Programm" spult sich ab. Beispielsweise erinnern uns ein Thema, eine Formulierung, die unser Gegenüber benutzt, ein Tonfall oder eine Geste an eine Situation aus unserer Kindheit, die wir als bedrohlich erlebt haben. In diesem Moment werden - unbewusst - alte Gefühle, die damals angemessen waren, wieder geweckt.

    Wenn es unbewusst bleibt, wird unsere Reaktion entsprechend heftig ausfallen - passend zu der früheren Situation - und wir führen das Gespräch dann quasi aus kindlicher Perspektive weiter. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir unsere*n Partner*in mit mehr Widerstand, Ärger oder Trauer begegnen, als wir es eigentlich möchten. Unsere Gefühle gehen mit uns durch. Wenn wir das bemerken, wäre es hilfreich, wenn wir einen Moment Abstand nehmen und uns fragen, wer gerade aus uns spricht; ob das noch wir als erwachsenes Gegenüber sind, oder ob es jüngere Anteile in uns sein könnten, die noch mit früheren Erfahrungen verbunden sind. Das Gleiche gilt übrigens auch für unser*e Gesprächspartner*innen. Auch sie können unbewusst wieder in Kontakt mit alten Gefühlen und Erfahrungen gekommen sein.

    Hilfreiche Schritte können dann sein, etwas Abstand zu nehmen, sich selbst und der anderen Person mit Mitgefühl zu begegnen und das Gespräch bewusst aus einer erwachsenen Perspektive fortzuführen. Wenn das in diesem Moment nicht möglich ist, dann zu einem späteren Zeitpunkt.

    Grundlagen für eine gute Kommunikation

    Die Basis für ein konstruktives Gespräch in einer Beziehung ist, dass sich zwei Erwachsene begegnen. Wenn wir darüber hinaus alte Gesprächsmuster nicht fortführen, sondern unsere Kommunikation verbessern wollen, gibt es noch weitere Aspekte, die dazu beitragen können:

    - Die Gesprächspartner*innen hören aktiv zu: Grundlage ist, dass wir wirkliches Interesse an dem haben, was unser Gegenüber uns mitteilen möchte und dass wir versuchen, sie bzw. ihn zu verstehen. Aktives Zuhören meint grundsätzlich noch etwas mehr: Es ist eine Technik, bei zunächst einer nur zuhört und anschließend den Inhalt des Gesagten wiederholt, um zu prüfen, ob es so stimmt...

    - Möglichst wertfreies Wahrnehmen und Sprechen: Beide Seiten können sich darin üben, wertfrei zu sprechen und wahrzunehmen. Statt bewertet zu werden oder selbst zu (ver)urteilen und in eine Position von Angriff oder Rechtfertigung zu fallen, entsteht vielmehr ein sicherer Rahmen, in dem freier und ehrlicher gesprochen werden kann. Dieser und die nächsten drei Aspekte orientieren sich an der Methode der Gewaltfreien Kommunikation.

    - Gefühle wahrnehmen und benennen: Statt tief in die Gefühle einzusteigen oder sie wegzudrücken, ist hilfreich, sie wahrzunehmen und auszusprechen. Statt: "Schon wieder gibst du mir die Schuld an allem!" ist hilfreicher im Gespräch: "Ich bin traurig darüber, wie wir in letzter Zeit miteinander reden. Ich fühle mich allein und überfordert mit der Situation." o.ä. Ich-Botschaften unterstützen dabei das gegenseitige Verständnis.

    - Bedürfnisse wahrnehmen und benennen: Um aber nicht bei den Gefühlen stehenzubleiben, sondern auch zu erforschen, worum es den Sprechenden jeweils geht, können die eigenen Bedürfnisse erforscht und genannt werden. Hinter dem Ärger liegt vielleicht das Bedürfnis nach mehr Nähe und Verbundenheit, hinter der Trauer kann das Bedürfnis mehr Respekt und Wertschätzung nach stehen... Werden die Bedürfnisse ausgesprochen, fällt es oft leichter, ein klärendes Gespräch zu führen.

    - Eine Bitte oder einen Wunsch äußern: In manchen Gesprächen und Konfliktsituationen werden zwar wichtige Themen und Bedürfnisse angesprochen, anschließend bleibt aber unklar, was jetzt zu tun ist. Die Dinge offen auszusprechen und zu hören, worum es dem*der anderen geht, reicht manchmal schon aus, manchmal braucht es aber noch einen weiteren Schritt, um die Situation zu lösen. Möglich ist, eine Bitte an die andere Person zu formulieren, damit sich das Bedürfnis erfüllt.

    - Zwischen Sach- und Beziehungsebene unterscheiden: Nehmen wir die Aussagen unseres*er Gesprächspartners*in auffallend oft persönlich und fühlen uns angegriffen, können wir auch nochmals prüfen, wie wir die Botschaften tatsächlich aufnehmen. Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun unterscheidet dabei zwischen Sachinformations- und Beziehungsebene. Hören wir bei einer Äußerung vor allem die Sachebene, nehmen wir nur die Informationen auf, liegt unser Fokus mehr auf der Beziehungsebene, hören wir vor allem einen Hinweis über die Beziehung, z.B. "Wenn du das tust, bist du ein*e schlechte*r Partner*in." Dann wäre es gut, nochmals wirklich gut wahrzunehmen, was gesagt wurde, oder auch nochmals nachzufragen, wie es gemeint ist...

    In der Kommunikation geht es nicht darum, alle Regeln zu befolgen und jederzeit alles richtig zu machen. Finde heraus, was dir hilft, in Beziehungen gut zu kommunizieren, und erlaube dir auch Unsicherheiten dabei. Ich wünsche dir eine lebendige und wertschätzende Kommunikation!

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